Luftgetrocknete Schinken selbst herstellen?

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Es ist, vor allem, eine Frage der Einstellung: Die Herstellung luftgetrockneter Fleischwaren. Naturgemäß braucht man, neben einem Ausgangslebensmittel herausragender Qualität in erster Linie Geduld. Und den unbedingten Willen, seinen Gästen etwas selbst hergestelltes bieten zu wollen.

Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Herstellung von “Rohpökelware” auf die kühlere bis kalte Jahreszeit beschränkt – es gibt sie also, die Schinken-Saison. So, wie es in Frankreich die Saison für die Herstellung des berühmten Pâté gibt. Das Verderbsrisiko ist nun einmal der größte Feind all jener, die das Reifen von Fleischwaren der Natur überlassen.

Schweinebauch beim Durchbrennen (Foto: FSE-News)

Heute ist dies, dank moderner Technik, ganzjährig möglich. An zuverlässiger Technik mangelt es nicht. Selbst Spezial-Kühlschränke im 60cm-Haushalts-Format (z.B. Dry Ager 500) sind mittlerweile in der Lage, die Aufgabe “Schinken- und Salami-Herstellung” zu bewältigen. Vorausgesetzt, eine genaue Klimaführung ist gegeben. Temperatur und Luftfeuchtigkeit müssen, einmal eingestellt, zusammen mit zusätzlicher Luftfilterung und -entkeimung mit entsprechender Ventilation automatisch funktionieren. Schließlich hat nicht jeder Gastronom seinen Betrieb in Gegenden, in denen die Außenluft ein wesentliches Merkmal für das Endprodukt bedeutet.

Keine Scheu – es ist keine Hexerei: Etwas Theorie sollte man zwar verinnerlicht haben und so ein Grundverständnis für die Zusammenhänge mitbringen – doch das Befolgen einfacher Regeln ist ein Garant für ein gutes Lebensmittel am Ende der Reifezeit.

Eine beispielhafte Rezeptur finden Sie am Ende des Artikels zum Herunterladen.

Nur allererste Qualität zählt

Was banal klingt, ist häufig gar nicht so einfach zu befolgen. Aus Scheu vor Prozesssicherheit und Verderbsrisiko (Was ist, wenn es nicht funktioniert?) greifen Anfänger gern lieber einmal zum ganzen Schweinebauch aus der Kühlkammer ihres Cash und Carry Marktes. Natürlich funktioniert das auch – ein extraordinäres Endprodukt erreicht man allerdings nur mit extraordinärem Rohstoff. Sprich: Wenn man sich schon die Arbeit macht, seine Gäste mit Hausgemachtem zu begeistern, dann sollte mindestens BIO draufstehen und, wenn möglich, auch noch eine besondere Rasse des verwendeten Tieres verwendet werden.

Die Jäger unter den Gastronomen haben es hier einfach: Sie leben sozusagen an der Rohstoffquelle für ihre Hirsch-, Reh- und Wildschwein-Schinken.

Es gibt keine Abkürzungen

Auch wenn es schwer fällt – aber Geduld ist neben Hygiene das oberste Gebot. Viele Ungeübte haben bereits Hunderte von Euros versenken müssen, weil sie ihrem Schinken nicht ausreichend Zeit gaben, die mikrobiologischen Prozesse auch zu durchlaufen.

Wer einmal einen selbstgemachten Rinder-Rohschinken (nach Bresaola-Art) aufgeschnitten hat und dann feststellen musste, dass im Inneren ein brauner Kern anstelle eines wunderschön durchgehend dunkelroten Schinkens war, der wird sich bei den nächsten Versuchen tunlichst an die Mindest-Zeiten der einzelnen Prozess-Schritte halten.

Dabei ist der Prozess ganz einfach – solange man ihn auch befolgt:

  1. Pökeln
  2. Durchbrennen
  3. Schwitzen
  4. Reifen

Auch wenn unterschiedliche Ausgangs-Rohstoffe unterschiedliche Behandlung im Detail erfordern, so bietet doch die Einhaltung dieser Reihenfolge die Garantie für ein Gelingen. Wer Rauch-Aromen mag, der kann zusätzlich auch noch eine Räucher-Phase einschieben.

Die Phasen im Einzelnen:

  1. Pökeln
    • Pökel-Vorbereitung für luftgetrockneten Schweinebauch (Foto: FSE-News)

      Verabschieden Sie sich jetzt schon einmal von der Idee, die Fleischstücke mittels Injektion (Spritzpökelung) zu impfen und so den Pökelprozess zu verkürzen. Das mag für Kochpökelware in Ordnung sein (schließlich setzt man hier nicht auf eine Trocknung) – für die Herstellung qualitativ hochwertiger luftgetrockneter Schinken kommt dies nicht in Frage. Entscheiden Sie sich also entweder für die reine Trockenpökelung oder die Pökelung in (Eigen-)Lake, auch Trocken-Nass-Pökeln genannt. Bei der reinen Trockenpökelung läuft die entstehende Lagke durch einen Abfluss in der Pökelwanne ab und das Fleisch liegt “trocken”. Bei Zweiterem läuft die Lake nicht ab und das Fleisch liegt quasi in der selbst entstehenden Pökellake.

    • Bereiten Sie eine Mischung aus Salz (3,5-5 % des Fleischgewichts, also 35-50g pro Kilogramm Fleisch) und [ds_preview]Gewürzen vor. Auch etwas Zucker (1-1,5% des Fleischgewichts) und Ascorbinsäure (Vitamin C) sind hilfreich, um den Pökelprozess zu begünstigen und den pH-Wert zu senken.
    • Salzen und würzen Sie das Fleisch, indem Sie es kräftig einmassieren bis nichts mehr übrig ist. Als Gewürze haben sich neben Pfeffer, Senfkörnern, Lorbeerblättern und gestoßenen Wacholderbeeren auch gehackter Knoblauch, Rosmarin, Thymian und andere Kräuter bewährt. Die antiseptische Wirkung von z.B. Wacholder und Rosmarin hilft dabei, schädliche Bakterien in Schach zu halten.
    • Schichten Sie die Fleischstücke in eine geeignete Wanne (z.B. tiefer GN-Behälter) möglichst dicht und übereinander. Bedecken Sie alles mit einem nicht luftdicht schließenden Deckel oder Brett und legen Sie ein Gewicht oben auf. Nicht zu schwer – das Gewicht einer Lage Fleischstücke hat sich bewährt.
    • Die ideale Temperatur beim Pökeln liegt zwischen +3 und +5°C, schließlich ist noch zuviel aktives Wasser enthalten, das bei höherer Temperatur die Ware verderben lassen kann.
    • Schichten Sie die Fleischstücke alle 2 Tage so um, dass die untersten Stücke oben zu liegen kommen und umgekehrt. Überschüssiges Salz sollte weiter einmassiert werden – sonst hilft es nicht beim Pökeln.
    • Tipp: Die reine Trockenpökelung bringt die beste Aromendichte.
    • Sie möchten eine Faustregel zur Dauer? Ganz einfach: Niemals zu kurz und lieber etwas länger pökeln. Es gibt Faustregeln wie “pro cm Dicke 1 Tag” oder “pro 500g 2 Tage” – hier sollten Sie besser auf Nummer Sicher gehen und die Faustregeln um mindestens 50% überschreiten. Ein zu salziges Produkt kann durch kurzes Wässern wieder gemildert werden – ein nicht fertig gepökeltes Produkt kann weggeworfen werden.
    • Angestrebter Gewichtsverlust beim Pökeln: 15% (ein ursprünglich 1 kg schweres Fleischstück wiegt nun also nur noch 850 Gramm).
  2. Durchbrennen
    • Der Begriff ist für Nicht-Metzger etwas irreführend – schließlich wird hier nichts gebrannt. Durchbrennen lassen bedeutet, dass nach Abschluss der Pökelung dem Salz ausreichend Zeit geboten werden muss, sich innerhalb des Fleischstücks zu verteilen und so überall das aktive Wasser gleichmäßig zu reduzieren. Es braucht also Zeit.
    • Spülen Sie nach dem Pökeln die Fleischstücke in kaltem Wasser ab und trocknenen Sie sie mit sauberen (!) Tüchern ab.
    • Hängen Sie die Stücke entweder am Haken oder gleich an Kordeln in den Reifeschrank und stellen Sie diesen auf eine Temperatur von + 2-3°C ein bei einer relativen Luftfeuchtigkeit (RH) von 60-65%. Das dient dazu, die Fleischstücke gleichzeitig abtrocknen zu lassen und so die Gefahr von Schimmelbildung zu bannen. Nach 5-7 Tagen bei 60-65%RH stellen Sie die Luftfeuchtigkeit auf 75-80%RH ein. So vermeiden Sie die Bildung einer zu trockenen Oberfläche, durch die die Feuchtigkeit aus dem Inneren des Fleischs nicht mehr nach außen dringen kann. Fäulnis wäre sonst die Folge.
    • Nach weiteren 7-10 Tagen ist diese Phase abgeschlossen.
  3. Schwitzen
    • Die einen machen es, die anderen nicht: Das Schwitzen lassen bei Temperaturen zwischen 22 und 25°C.
    • Zweck des Schwitzens ist, die Aktivität von Milchsäurebakterien zu fördern und so eine Fermentation in Gang zu setzen, die einerseits zur Säurebildung (Verminderung des Verderb-Risikos) und andererseits zu mehr Zartheit des fertigen Schinkens führt. Lebensmitteltechnologisch soll also der pH-Wert gesenkt werden und der Nährboden für das berüchtigte Clostridium Botulinum entzogen werden. Dieses Bakterium ist nicht umsonst der Angstgegner aller Fleischverarbeiter – schließlich ist es hochgiftig und im günstigsten Falle gibts nur Durchfall.
    • Stellen sie also Ihren Reifeschrank bei 70-75%RH auf diese Temperaturen ein:
      • Tag 1+2: +22°C
      • Tag 3+4: +25°C
      • Tag 5+6: +20°C
  4. Reifen
    • Wenn Sie es bis hier hin geschafft haben, ist lebensmitteltechnisch Ihr Schinken bereits fertig und könnte, gut gekühlt, verpackt werden.
    • Schinkentechnisch allerdings beginnt jetzt erst die eigentliche Phase. Die Aromabildung über das Reifen und weitere Trocknen lassen.
    • Die Einstellung für Ihren Reifeschrank: Alles zwischen +5°C und +12°C ist in Ordnung. Je kühler es ist, desto länger dauert es und desto besser ist hinterher Ihr Schinken. In der Praxis hat sich die Einstellung von +8,5°C und 75%RH bewährt,
    • Ein ganzer Schweineschinken aus der Keule wird nun mindestens 1 Jahr lang aufgehängt. Auch ein Schweinebauch nach der Art “Gurktaler Luftgeselchter” braucht immer noch 4-6 Monate, um perfekt zu werden.

Wann ist der Schinken fertig? Ganz einfach – wenn Sie meinen, dass er nun ausreichend gereift ist. Die Einen schneiden bereits nach 4-6 Wochen auf, die Anderen warten mindestens 6 Monate. Als Faustregel für die Mindestreifezeit können Sie Folgendes annehmen: Ihr Schinken sollte vom Ursprungsgewicht mindestens 35-40% an Feuchtigkeit verloren haben.


Das Herstellungs-Schema zum Herunterladen:

Das Rezept-Beispiel zum Herunterladen: