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Zukunft der Großküche: Zwischen Fachkräftemangel, Automatisierung und Partnerschaft

Podiumsdiskussion der GGKA-Tagung 2025  am 9.10.2025

Wie sieht die professionelle Küche im Jahr 2030 aus? Welche Rolle spielen Robotik, Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle – und wie reagiert die Branche auf den anhaltenden Fachkräftemangel?

Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion auf der Jahrestagung des Fachverbands GGKA, die sich zu einem der intensivsten und realitätsnächsten Foren der Branche entwickelte.

Moderiert von Claudia Zilz diskutierten Vertreter aus Industrie, Fachhandel, Planung, Wissenschaft und Betriebspraxis:

  • Werner Ganser, Europapark Hospitality, Rust
  • Jewgeni Gorokowski, Compass Group Deutschland
  • Olaf Bärmann, vtechnik Planung
  • Oliver Frosch, HKI & Nordcap
  • Karl-Heinz Maiworm, Maiworm Großküchentechnik
  • Julian Fuchs, GGKA & Edgar Fuchs Cook Factory
  • Regina Schrank, RWTH Aachen

Branche unter Druck: Energie, Kosten, Personal

Schon der Auftakt machte deutlich, dass die wirtschaftliche Realität die Spielräume der Betriebe massiv einschränkt.

Jewgeni Gorokowski berichtete aus dem operativen Alltag der Compass Group: „Wir betreiben über 500 Restaurants – vom Fine-Dining bis zur Stadiongastronomie – und keine Küche gleicht der anderen. Nach Pandemie, Energie- und Wirtschaftskrise stiegen die Lebensmittelpreise um über 20 Prozent. Das können wir nicht eins zu eins weitergeben.“

Effizienz werde damit zur Überlebensfrage. Automatisierung, Prozessmanagement und digitale Steuerungssysteme seien zentrale Hebel – aber keine Wunderwaffen. „Wir springen nicht auf jede neue Innovation. Erst wenn sie funktioniert, setzen wir sie flächig ein“, so Gorokowski.

Partnerschaften mit Herstellern zeigten, wie Zukunftstechnologie in der Praxis funktionieren kann: Self-Check-In-Systeme, digital gesteuerte Speisen-Regeneration und spülende Roboter sind keine Science-Fiction mehr, sondern punktuelle Realität.

Industrie im Geschwindigkeitsrausch der Transformation

Oliver Frosch knüpfte an: „Der Transformationsprozess kommt mit einer Geschwindigkeit, die wir alle unterschätzt haben.“

Nach Corona stehe die Branche erneut unter Druck – zwischen Nachhaltigkeitsanforderungen, Kostendruck und digitaler Disruption. Kunden erwarteten keine Geräte, sondern ganzheitliche Lösungen, die Technik, Daten und Beratung verbinden.

„Wir müssen uns fragen, welche Themen künftig wirklich tragen: Convenience, Regeneration, KI-gestützte Prozesssteuerung – oder die Rückbesinnung auf handwerkliche Frische in digitaler Verpackung.“

Gleichzeitig wachse die Lücke zwischen Preisentwicklung und realer Nachfrage: „Bei 25 Prozent Kostensteigerung und stagnierenden Umsätzen müssen wir anders denken – in Netzwerken statt Silos.“

Fachhändler als Architekten von Prozessen

Für den Fachhandel beschrieb Julian Fuchs den Rollenwandel: „Unsere Kunden kommen nicht mehr mit einer Einkaufsliste, sondern mit einem Problem.“

Der Händler werde zum Lösungsfinder, der zwischen Budget, Technik und Design vermittelt.

Beispiele aus seiner Praxis reichten von repräsentativen Betriebskantinen bis zu standardisierten Klein-Caterings. „Die Anforderungen sind so individuell wie die Kunden selbst – und genau darin liegt die Zukunft des Fachhandels: nicht mehr Produktverkauf, sondern Konzeptberatung.“

Baustellen und Realitätsschock

Karl-Heinz Maiworm erinnerte daran, dass Digitalisierung allein keine Baustellen fertigstellt: „Wir reden über Robotik, aber auf vielen Baustellen fehlt der Fliesenleger. Die Vorleistungen anderer Gewerke kommen zu spät – das kostet Zeit, Geld und Nerven.“

Die größten Engpässe lägen inzwischen im technischen Service: gut ausgebildete Monteure und Inbetriebnehmer seien rar. „Viele erfahrene Techniker gehen in Rente, die Nachrückenden sind nicht ausreichend qualifiziert.“

Damit entstehe eine paradoxe Situation: immer smartere Geräte – aber immer weniger Fachkräfte, die sie beherrschen.

Küche 2030: Flexibel, modular, konzeptbasiert

Olaf Bärmann spannte den Zukunftsbogen: „Die Küche 2030 ist modular, multifunktional und datenbasiert. Aber ohne Konzept bleibt jede Digitalisierung Stückwerk.“ Er plädierte für klare Prozessdefinitionen vor jeder technischen Aufrüstung.

„Wir müssen zuerst unsere Hausaufgaben machen: digitale Temperaturerfassung, Schockkühl-Prozesse, Nachvollziehbarkeit – Basics, die immer noch nicht flächendeckend funktionieren.“

Bärmann verwies zudem auf das enorme Tempo der Robotik-Entwicklung: Was vor einem halben Jahr noch Theorie war, sei heute Realität in Pilotküchen.

Systemgastronomie als Labor der Zukunft

Für die Compass Group sieht Gorokowski die Zukunft in zentral gesteuerten, dezentral ausgeführten Systemen: „Wir kochen in 400 Restaurants gleichzeitig – mit echten Köchen. Aber die Steuerung erfolgt digital, über zentrale Rezepturen und Gerätesteuerungen.“

Nachhaltigkeit, Food Waste-Reduktion und Skalierbarkeit seien die neuen KPI s. Durch den Zukauf der Hoffmanns-Manufaktur baue man Brücken zwischen Handwerk und industrieller Produktion: „Wir lernen von beiden Welten.“

Personalmangel im Freizeitsektor

Werner Ganser berichtete, wie der Europa-Park mit bis zu 35.000 Gästen pro Tag den Fachkräftemangel auffängt: „Wir haben 1.600 Mitarbeiterbetten gebaut und rekrutieren weltweit. Trotzdem wird die Küche der Zukunft kleiner, standardisierter und programmierbarer werden müssen.“

Sprachbarrieren, hohe Frequenzen und saisonale Schwankungen erforderten systematisierte Abläufe, die auch von internationalen Teams sicher bedient werden können. „Vereinfachung ist kein Rückschritt, sondern Voraussetzung für Qualität bei dieser Dimension.“

Technologie und Mensch: Die wissenschaftliche Brille

Regina Schrank von der RWTH Aachen brachte die Perspektive der Forschung ein:„Der Mensch neigt dazu, technologischen Fortschritt zu überschätzen – und gleichzeitig zu unterschätzen.“ Demnach seien vollautomatische Küchen kurzfristig illusorisch, doch selektive Automatisierung werde selbstverständlich.

„Leuchtturmprojekte sind wichtig, aber Technologie ersetzt keine Kultur. Man muss verstehen, wo sie sinnvoll eingreift.“ Schrank forderte, den Faktor Mensch stärker einzubeziehen: Arbeitsumgebungen, Motivation und Weiterbildung seien die entscheidenden Stellschrauben, nicht nur Software.

Vertriebsmodelle im Wandel

Ein brisanter Punkt war der Direktvertrieb der Hersteller.

Julian Fuchs: „Das ist ein sensibles Thema. Es gefährdet Vertrauen und schwächt den Markt, wenn Hersteller am Fachhandel vorbeigehen.“

Der Fachhandel bringe Service, Schulung und lokale Kompetenz – Leistungen, die digitaler Vertrieb nicht ersetzen könne.

Oliver Frosch bestätigte: „Kein Hersteller will eigentlich Direktgeschäft. Wir brauchen starke Partner, die Mehrwerte schaffen – Beratung, Lager, Service. Aber diese Mehrwerte müssen sichtbar bleiben.“

Gleichzeitig sind seit Jahren Billigst-Wettbewerber im Markt: „Einer von ihnen beispielsweise macht 65 Millionen Umsatz mit Billigware aus Asien – ohne Service, ohne Beratung. Und vor allem ohne echte Lösungskompetenz für den Kunden. Wenn der Kunde dann enttäuscht ist, färbt das auch auf die Qualitätsanbieter und den qualifizierten Fachhandel ab. Dagegen helfen nur Qualität und ein starkes Netzwerk.“

Kooperation statt Konkurrenz: Planer und Händler

Im zweiten Teil verlagerte sich der Fokus auf die Zusammenarbeit zwischen Fachplanern und Fachhändlern.

Fuchs: „Wir planen nicht gegen Planer, sondern mit ihnen. Unsere Planungsabteilung ergänzt, wo kein externer Planer im Projekt ist. Gute Planung spart uns Arbeit, keine Aufträge.“

Olaf Bärmann, der beide Welten kennt, unterstrich:

„Ein Projekt gelingt nur, wenn jeder seine Rolle kennt. Wir alle arbeiten daran, Arbeitsplätze zu verbessern und Menschen zu ernähren – nicht daran, uns gegenseitig Aufträge wegzunehmen.“

Eine Anekdote aus dem RheinEnergie-Stadion illustrierte, was passiert, wenn Abstimmung fehlt: Ein Kombidämpfer passte schlicht nicht durch die Tür. „Da hätte ein Telefonat gereicht“, so Beermann trocken.

Transformation als gemeinsame Aufgabe

Gegen Ende rückte wieder das große Ganze in den Mittelpunkt. Frosch diagnostizierte drei Gruppen im Handel: „Ein Drittel ist mitten im Transformationsprozess, ein Drittel schwankt – und ein Drittel hält am Alten fest. Das ist normal, aber wir müssen uns bewegen, sonst tun es andere.“

Zugleich gestand er, dass auch die Industrie Lernfelder habe: „Robotik, Schnittstellen, Serviceintegration – wir stehen alle am Anfang. Wichtig ist, dass wir Veranstaltungen wie diese nutzen, um gemeinsam zu lernen.“

Die neue Küche ist ein Netzwerk

Die Diskussion zeigte eindrucksvoll, wie vielschichtig die Transformation der Branche ist.

  • Digitalisierung bleibt Voraussetzung, ersetzt aber nicht das Denken in Konzepten.
  • Fachkräftemangel treibt Innovation, erfordert aber Ausbildung und Wertschätzung.
  • Robotik und KI kommen schneller als gedacht, müssen aber praxistauglich integriert werden.
  • Partnerschaft zwischen Industrie, Handel, Planung und Betreiber ist der Schlüssel.

„Wenn wir es nicht gemeinsam schaffen, werden es andere schaffen“, brachte Oliver Frosch das Schlusswort auf den Punkt.

Die Großküche 2030 wird weniger ein Ort der Geräte sein, sondern ein System vernetzter Kompetenzen – zwischen Mensch, Maschine und Prozess.

 

 

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