Gastronomie im Einzelhandel – eine Perspektive aus Sicht von Hersteller und Fachplaner

Gastronomie im Einzelhandel: Das Thema ist brandaktuell, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Euroshop Messe im kommenden Februar. Längst hat der Lebensmitteleinzelhandel für sich entdeckt, dass die Erweiterung um gastronomische Angebote nicht nur zusätzliche Frequenz sondern auch zusätzliche Marge bringen kann. Insbesondere dann, wenn gleichzeitig auch noch niedrigere Einkaufspreise bei Food und Beverage realisiert werden können.

Auf der FCSI-Jahrestagung trafen wir sowohl Mitarbeiter von Herstellern als auch von Planungsbüros, die sich speziell mit dieser Entwicklung auseinandersetzen.

Zu einem Kamingespräch im Umfeld der Tagung traf ich Andreas Schäfer, internationaler Key Account Manager beim österreichischen Premium-Hersteller IDEAL AKE, und Christian Meissner, Geschäftsführer des Stuttgarter Planungsbüros Profi-tabel Resultants.

FSE-News: Herr Meissner und Herr Schäfer – ich falle mit der ersten Frage gleich einmal mit der Tür ins Haus. Welche Konzepte sind in der Handelsgastronomie derzeit aktuell und wie wird auf die sich verändernden Konsumgewohnheiten der Kunden reagiert?

Christian Meissner (Profi-tabel, Stuttgart)

Meissner: In Ihrer Frage steckt bereits schon die erste Veränderung. Früher wurden Menschen, die außer Haus etwas verzehrt haben, als Gäste bezeichnet. Selbst in der Schnellgastronomie. Der Handel sieht sie als Kunden. Das mag auf den ersten Blick unerheblich erscheinen, hat aber deutliche Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Geschäftsmodelle.

FSE-News: Inwiefern?

Meissner: Händler betrachten die kaufenden Menschen aus einem anderen Blickwinkel. Hier steht beispielsweise das Thema “Frische” immer mit auf der Agenda. In der Gastronomie wird das nie kommuniziert, weil ja der Gast davon ausgeht, dass die Zutaten für sein Essen frisch waren.

Andreas Schäfer (IDEAL AKE)

Schäfer: Dieses Phänomen ist beispielsweise immer Bestandteil unserer Kundengespräche. Mit der Sichtbarmachung von Lebensmitteln im gastronomischen Konzept wird “Frische” plötzlich offensiv kommuniziert und visualisiert.

FSE-News: Macht das nicht die Trattoria um die Ecke mit der Fisch-auf-Eis-Präsentation am Eingang ebenso?

Schäfer: Leider muss man fast sagen, dass diese Theken aussterben. Meist aus hygienischen Gründen, weil ja häufig der Fisch auch nahezu ungeschützt inmitten der Verkehrswege stand und hier teils die passenden Geräte und Konzepte fehlten.

Meissner: Das Prinzip ist dasselbe, stimmt. Heute ist das Angebot allerdings vielschichtiger. Der Lebensmittel-Einzelhandel legt Wert darauf, dass die Waren nicht nur zu den Hauptverkehrszeiten frisch in der Auslage sind sondern bestenfalls rund um die Uhr. Ideal wäre, wenn nicht einmal mehr aus- und umgeräumt werden müsste und man die Auslage gleich als Lager mitnutzen könnte.

FSE-News: Die Technik dafür gibt es ja bereits, zumindest haben wir zum Thema “Kuchen und Torten” schon einmal darüber berichtet.

Schäfer: Richtig, die Technik dafür gibt es bereits. Die sogenannten Standzeiten, also das Frisch-Aussehen von Lebensmitteln in einer Auslage, können wir heute mit intelligenter Klimaführung deutlich verlängern – im warmen wie im gekühlten Segment und wahlweise sogar durch umschaltbare Geräte.

Meissner: In der Realität sieht es dann so aus: Verlängerte Frischzeiten, wie ich sie nenne, helfen, die Zeit zwischen den Peaks auch verkäufsfördernd zu nutzen. Früher lagen, das soll jetzt nicht despektierlich klingen, die Leberkäs-Stücke nach dem Hauptgeschäft teilweise über längere Zeiträume in der Wärmetheke und wurde immer runzliger. Das wirkte dann auch eher abschreckend auf den Kunden.

FSE-News: Das bringt mich auf eine weitere Überlegung. Herr Meissner, wie personalintensiv darf eine Handelsgastronomie sein? Bringt die Fertigstellung einer Speise vor dem Augen des Gastes mehr als die Auslage bereits fertiger Speisen, die dann nur noch ausgegeben werden oder sogar in der Selbstbedienung sind?

Meissner: Das hängt vom Konzept des Betreibers ab. Natürlich wissen wir, dass Konzepte mit Personal für die Zubereitung auf Bestellung, für den Kunden attraktiv sind und einen hohen emotionalen Wert für die Preisbereitschaft haben. Andererseits unterliegt auch die Handelsgastronomie den gleichen Rahmenbedingungen. Nicht nur, dass Personalkosten in der Regel Fixkosten sind. Das richtige Personal muss man auch erst einmal finden.

FSE-News: Sie sprechen den Fachkräftemangel an?

Meissner: Nein, gar nicht. Machen wir uns nichts vor: Fachkräfte braucht es nur für ganz bestimmte Tätigkeiten. Unseren Kunden sind angelernte Kräfte, die genau auf den benötigten Prozess geschult und trainiert sind, häufig lieber als Generalisten, die viel mehr können als von ihnen erwartet wird. Die sind nämlich bald frustriert von ihrer Aufgabe.

Schäfer: Richtig. Das trägt sich in alle Bereiche hinein. Ich merke dies beispielsweise immer bei Gesprächen mit unseren Planern und Distributoren. Die Frage nach der Einfachheit, oder besser gesagt der Einweisungs-Dauer, stellt sich immer. Gerade dann, wenn Bedien- und Ausgabepersonal öfter einmal wechseln. Personal-Fluktuation hat Auswirkungen auf alle Prozesse. Daher müssen auch die Konzepte im Vorfeld gut überlegt und durchdacht sein.

FSE-News: Sie meinen, dass das Auswirkungen auf das Geschäft hat? Sind aus Sicht des Gastes die Theken für die Speisenpräsentation nicht alle irgendwie gleich?

Schäfer (lacht): Nicht einmal irgendwie. Klar – von außen und vor allem für den nichtkundigen Gast sehen alle irgendwie gleich aus. Aber dann erklären Sie mir mal, warum es so große Preisunterschiede bei den Theken gibt. Spreu und Weizen trennen sich spätestens bei der intelligenten Klimaführung. Wirtschaftliche Vorteile lassen sich nicht zum Nulltarif realisieren. Und die Verlängerung von Frischzeiten, wie sie Herr Meissner nennt, bringt deutliche wirtschaftliche Vorteile. Von der derzeit viel beschworenen Nachhaltigkeit ganz zu schweigen: Länger frisch bedeutet länger ansehnlich, bedeutet weniger Speisenverderb und Verschwendung.

Meissner: Genau. Und wenn dann die Einweisung auf die Geräte pro Mitarbeiter um eine Stunde jährlich reduziert werden kann, dann rechnet sich auch die Einfachheit in der Bedienung. Hier ist es fast egal, wie viele Outlets ein Unternehmen hat. Das gilt sogar für eine einfache Kantine.

FSE-News: Zurück zur Handelsgastronomie. Wo gehen die Trends denn hin? Und worauf muss sich ein Händler einstellen?

Meissner: Zunächst einmal darauf, dass die althergebrachten Zeiten, wie Frühstück, Mittag- oder Abendessen, passé sind. Kunden beziehungsweise Gäste essen heute dann, wann ihnen danach ist. Viele nehmen die erste Mahlzeit erst nach 10 oder 11 Uhr zu sich – und wollen dann noch kein warmes Gericht haben. Andererseits wollen viele auch nachmittags um 4 noch eine warme Mahlzeit – und zwar eine, die nicht aufgewärmt als Rest vom Mittagsgeschäft daherkommt.

Schäfer: Dazu kommt noch die soziale Komponente. Man trifft sich rasch einmal mit Freunden oder auch Kollegen, bespricht sich und nimmt dabei auch etwas zu sich. Etwas, was über Kaffee und Keks hinaus geht. Und zwar zu fast jeder Tageszeit. Dadurch werden die klassischen Mahlzeiten häufig abgelöst. Snacks, ob warm oder kalt, aber frisch und individuell, stehen auf der Tagesordnung.

FSE-News: Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Speisenqualität in der Handelsgastronomie nicht hinter der einer klassischen Gastronomie zurückbleiben darf.

Schäfer: Genau das bedeutet es. Natürlich kommt es auch auf die Positionierung des Outlets an. Die Spanne reicht von Selbstbedienung mit abgepackten Sandwiches à la “Prêt” bis hin zur Feinkostbar mit Gourmet-Angebot auf Sterneniveau. Die alles umspannende Klammer heißt “Frische zu jeder Zeit”.

Meissner: Es ist ja auch logisch. Das Vertrauen, das ein potenzieller Gast ja erst lernen muss, lässt sich am einfachsten über Qualität gewinnen. Und zwar ungeachtet dessen, ob eine Speise 5 oder 15 Euro kostet. Und mit Personal für die Zubereitung vor den Augen der Gäste steigt sogar die Preisbereitschaft messbar, das merken wir bei unseren Auftraggebern.

FSE-News: Qualität ist also, wenn der Kunde gern wiederkommt, weil er für sein Geld das bekommen hat, was es ihm Wert war?

Schäfer: Oft sogar noch etwas mehr. Positiv zu überraschen macht aus Einmalkunden Wiederholer.

FSE-News: Herr Meissner, Herr Schäfer, ich danke Ihnen für das Gespräch!


 

Das Interview führte FSE-News Herausgeber Tim Oberstebrink.