Fine Dining – ein Leichenschmaus?

fine dining is dead steht auf der Rückseite des T-Shirts. Das mag überall kaum Aufmerksamkeit generieren – auf dem größten deutschsprachigen Food-Symposium CHEF-SACHE (16.+17. September 2018) allerdings ist das eine mehr als provokante Aussage.

Fakt ist, das allein in den vergangenen 12 Monaten in Deutschland gefühlt mehr Sterneküchen angezählt wurden und sogar deren Schließung beschlossen wurde als es Neuzugänge gab: “La Vie” mit Thomas Bühner. “reinstoff” mit Daniel Achilles. Das Regent Hotel Berlin schloss sein “Fischer’s Fritz” (Christian Lohse) bereits Ende 2017.

Was also bleibt? Und: Warum erfreut sich dann eine Avantgarde-Veranstaltung wie die von Port Culinaire Herausgeber Thomas Ruhl ins Leben gerufene CHEF-SACHE so großen Zulaufs?

Wer sich in den Saal begibt, auf dessen Bühne sich internationale Größen wie Pierre Gagnaire, Andreu Genestra, Ivan & Sergey Berezutskiy oder auch Jan Hartwig und Christian Hümbs den Staffelstab nahezu im Stundentakt in die Hand geben, der merkt rasch: Es geht den Hochdekorierten nicht um Sterne. Es geht – das stimmt – um “fine dining“. Aber es geht noch um viel mehr.

Den Spitzenkünstlern in der (Avant?)Garde geht es darum, immer noch ein wenig mehr herauszukitzeln. Mit ursprünglich untypischen Zubereitungsarten. Mit zunächst überraschenden Kombinationen aus Aromen, die nur durch die fortschrittliche Frische-Logistik ermöglicht worden sind. Mit Platings, die nicht nur geschmacklich sondern auch optisch die persönliche Handschrift des Künstlers tragen.

Wer hier hin kommt, der will’s wissen. Dem reicht es nicht, klassische Küche perfekt auf den Tisch zu bringen. Der will wissen, was hinter dem eigenen Pass aka Tellerrand passiert.

Is fine dining dead? Nein. Definitiv nicht. Ist fine dining ein zukunftsträchtiges, weil wirtschaftlich tragbares, Gastronomiekonzept? Nur unter bestimmten Voraussetzungen. Das Mäzenatentum, das Ende der 1980er Jahre mit Grundig’s Bühlerhöhe und dem fürstlich entlohnten Franz Keller einen ersten Höhepunkt erfuhr, zieht sich langsam aber sicher zurück.

Was bleibt? Wer werden erleben, dass das, was gestern und heute im “fine dining“-Konzept kunstvoll auf Tellern und Platten serviert wird, morgen oder spätestens übermorgen auch in der Gemeinschaftsverpflegung wie Betriebsgastronomien seinen Platz finden wird. Weil der Geschmack gelernt ist.

Nicht zuletzt deswegen erfreut sich auch das Aussteller-Forum ungeahnter Beliebtheit. Weil hier die Instrumente präsentiert werden, die den Küchen von morgen neue Möglichkeiten eröffnen – und die die Mode(n) von heute gekonnt bedienen.

Fine dining wird weiter leben. Möglicherweise unter anderem Namen. Ganz sicher aber unter Voraussetzungen, die dem Gastronomen auch wirtschaftliche Nachhaltigkeit abfordern. Unter dem Begriff Casual Fine Dining wahrscheinlich sogar wirtschaftlich erfolgreich. Denn spätestens, wenn die Babyboom-Jahrgänge in 15 Jahren das Rentenalter erreichen, werden aktuelle Lebensgewohnheiten wie mit Schlagwörtern wie casual, urban, green auch im ältesten Drittel der Gesellschaft angekommen sein. Symposien wie die CHEF-SACHE werden dazu beitragen, auch diese Facette der Spitzengastronomie ins Rampenlicht zu rücken.

Was bleibt, ist der Wandel. Und der unbedingte Wille, es immer noch einen Tacken perfekter zu machen. Eine Avantgarde wird es immer geben. Nur anders. Es wird darum gehen, Neues zu entwickeln ohne zu erschrecken. Mit einigen schönen Überraschungen zwischen Zunge und Gaumen. Den Beweis dafür treten, Jahr für Jahr, ambitionierte junge Menschen auf Wettbewerben wie “Koch des Jahres” und anderen an.